Was passiert - wenn zwei Königinnen um dieselbe Krone kämpfen - im Namen von Pflicht, Stolz und Glauben?
Im Deutschunterricht haben wir uns intensiv mit Friedrich Schillers Drama Maria Stuart beschäftigt. Im Zentrum unserer Analyse standen die Themen Macht, Schuld und persönliche Freiheit.
Schnell wurde deutlich: Der Konflikt zwischen Maria Stuart und Elizabeth I. ist weniger moralisch als politisch motiviert – ein Kampf um Legitimation und Einfluss in einer Zeit des religiösen Umbruchs.
England war im 16. Jahrhundert protestantisch geprägt, während Maria als Katholikin eine permanente Bedrohung für Elizabeth darstellte. Während Elizabeth ihre Herrschaft auf parlamentarische Legitimation stützte, berief sich Maria auf dynastisches Erbrecht. Das Drama inszeniert somit exemplarisch den Wandel von traditionellen zu modernen Herrschaftsformen.
Besonders faszinierend finde ich, wie Schiller die beiden Königinnen beinahe gleichwertig gegenüberstellt. Durch die fiktive Figur Mortimer und den berühmten Streit in der Peripetie zeigt das Drama nicht nur zwei politische Gegnerinnen, sondern auch zwei Frauen, die zwischen Pflicht und persönlichem Wunsch zerrissen sind. Dieser innere Zwiespalt lässt Maria zur „schönen Seele“ werden – ein zentraler Begriff der Weimarer Klassik, den wir im Unterricht ausführlich besprochen haben. Maria gewinnt an moralischer Grösse, gerade weil sie im Äusseren alles verliert – ein Paradoxon, das ihre Figur besonders beeindruckend macht.
Ein weiterer Aspekt unserer Analyse war die Frage, wie Macht entsteht und wann sie endet. Gewalt erscheint bei Schiller als eine soziale Beziehungskraft, die nur existiert, solange Menschen bereit sind, sich ihr zu unterwerfen. Besonders deutlich wird das in Marias Entwicklung: Sie verliert ihren politischen Einfluss, gewinnt aber an innerer Autonomie und Würde.
Diese Themen entfalten sich vor dem historischen Hintergrund der Entstehungszeit des Dramas. Schiller schrieb Maria Stuart etwa zehn Jahre nach der Französischen Revolution. Fragen nach Volkssouveränität, Herrschaftslegitimation und dem Recht auf Widerstand gegen die Obrigkeit durchziehen das Drama – auch wenn sie durch die höfische Welt des 16. Jahrhunderts gefiltert werden.
Die Beschäftigung mit Schillers Drama hat mir nicht nur einen literarischen Einblick in die dramatische Rivalität zweier Herrscherinnen gegeben, sondern auch mein Interesse an der Entwicklung monarchischer Herrschaft geweckt.
Spannend ist, wie aktuell diese Fragen geblieben sind – besonders im Vergleich zur heutigen britischen Monarchie. Elizabeth I. war eine reale politische Machtträgerin: Sie konnte Gesetze erlassen, Kriege führen und über Leben und Tod entscheiden. Die heutige Monarchie – etwa unter Elizabeth II. oder König Charles III. – hat dagegen nur noch symbolischen Charakter.
Damals sprach man von England, heute von Grossbritannien, das seit 1707 eine staatliche Einheit bildet. Bis 1922 gehörte auch ganz Irland zum Vereinigten Königreich, heute nur noch Nordirland.
Elizabeth I. war eine reale politische Machtträgerin: Sie konnte Gesetze erlassen, Kriege führen und über Leben und Tod entscheiden. Die heutige Monarchie hingegen ist grösstenteils symbolisch. Grossbritannien besitzt – im Gegensatz zu den USA – keine kodifizierte Verfassung. Dennoch existieren grundlegende Dokumente wie die Magna Carta und die Bill of Rights, die der Krone schrittweise die politische Macht entzogen und sie dem Parlament übertrugen. Die politische Gewalt liegt heute bei der Legislative, also dem House of Commons und dem House of Lords. Während Letzteres früher die Gesetzgebung dominierte, hat sich die Macht im Lauf der Geschichte deutlich zugunsten des gewählten Unterhauses verschoben.
Die Exekutive besteht aus der Monarchin bzw. dem Monarchen und dem Premierminister. Der Monarch erfüllt nur noch repräsentative Aufgaben, während der Premierminister – in der Regel der Vorsitzende der stärksten Parlamentspartei – als Regierungschef agiert. Ein interessanter Kontrast: Während Elizabeth I. das Parlament in seiner Macht beschränkte, ist die heutige Monarchie in ihrer politischen Funktion stark eingeschränkt. Was früher ein Machtkampf um legitime Herrschaft war, ist heute ein repräsentatives Amt mit symbolischer Bedeutung.
Trotzdem bleibt ein zentraler Aspekt bestehen: die Frage nach Legitimität. Elizabeth I. musste sich gegen den dynastischen Anspruch Maria Stuarts behaupten. Heute stellt sich diese Frage auf gesellschaftlicher Ebene: Braucht Grossbritannien überhaupt noch ein Königshaus? Ist es gerechtfertigt, dass eine Familie durch Geburt Ansehen, Reichtum und symbolische Macht erbt?
Auch die mediale Darstellung hat sich verändert – und doch bleiben Parallelen bestehen. Während Schiller die beiden Königinnen als vielschichtige Persönlichkeiten zeichnet, stehen auch heute die „menschlichen Seiten“ der Royals im Fokus der Öffentlichkeit – sei es durch Interviews, Biografien oder Serien wie The Crown. Der Blick hinter die Palastmauern fasziniert bis heute.
Für mich persönlich zeigt dieser Vergleich, wie sich unser Verständnis von Macht gewandelt hat: von absoluter, göttlich legitimierter Autorität hin zu einer Macht, die auf Zustimmung, Transparenz und Verantwortlichkeit basiert – zumindest in der Theorie. Die Monarchie steht exemplarisch für diesen Wandel: von einer realen Machtinstitution hin zu einem Symbol nationaler Identität, das sich ständig neu legitimieren muss.
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Notizen aus der Lektion